Verfasst von: Som Jo Tien | 22. März 2013

„Hundestadt“ Gelsenkirchen: Gelsenkirchen – Stadt der Hunde

Gelsenkirchen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Stadt Gelsenkirchen unter der Woche zur Hauptstadt um das Thema Hundehaltung gemacht. In meinen Augen ist Gelsenkirchen bereits seit 2001 „Hundestadt“; seitdem eine gerade nach Gelsenkirchen übersiedelte Wienerin sich über die vielen Hunde in der Stadt wunderte. Hunde und ihre Hundebesitzer finden in der Stadt schon lange gute Lebensbedingungen vor. Der Bundesgerichthof hat diese Sicht nun aus Mietersicht bekräftigt.

In seiner Entscheidung – VIII ZR 168/12 – um den Verbleib des Mischlingshundes „Daisy“ bei dem Sohn der Mieter, haben die Richter um Richter Ball sich gegen generelle Verbote ausgesprochen. Das ist zunächst einmal nachvollziehbar; kommt damit doch eine grundsätzliche Entscheidung der Verfassung zu tragen: Gleiches gleich und Ungleiches ungleich – vor allem aber verhältnismäßig zu handeln. Diese Wertung aus Art. 3 des Grundgesetzes findet auch in der Rechtsprechung der Gerichte mehr und mehr Zuspruch.

Richter Ball mahnte zusätzlich den Ball flach zu halten: Es gäbe Möglichkeiten den Wildwuchs zu verhindern, zitiert ihn die Süddeutsche am 21.03.13, S. 3 in: „Daisy darf bleiben“. Ob der Richter damit auf die Entscheidung des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichts anspielte, wonach eine Stadt eine nicht Art gerecht gehaltene Schildkröte aus der Wohnung des Schildkrötenbesitzers sogar im Wege des Verwaltungszwangs entfernen durfte, ist nicht bekannt. Möglicherweise hätten sich die Gelsenkirchener Verwaltungsrichter jedoch angesichts einer derart mieterfreundlichen BGH-Rechtsprechung heute anders entschieden; und bei ihrer Entscheidung mehr auf die emotionale Beziehung des Schildkrötenbesitzers – vermutlich auch ein Kind – abgestellt. Im Daisy-Fall sollte der Mischlingshund dem an Diabetes leidenden Sohn emotional gut tun und auch dafür sorgen, dass er an die frische Luft kommt. Im Hinblick auf das letztgenannte Ziel hätte es, Achtung Kalauer: ein Ball vielleicht auch getan! Der Richter hatte jedoch ein Herz für Kinder. Und wie gesagt, der Wildwuchs – was immer das auch heißen mag – angesichts verängstigter Nachbarn über Hund, Katze, Maus ist auch anders einzudämmen. Nur Generalverbote in Mietverträgen und Hausordnungen gehen halt nicht. Es muss immer im Einzelfall entschieden werden.

Kurioserweise werden mit dieser Entscheidung tatsächlich nun endlich diejenigen bestätigt, die den Grundsatz: „Die Ausnahme bestätigt die Regel“, nie verstanden haben. So ist das Leben. Es fängt immer wieder von vorn an oder wie Joni Mitchell singt: Life is a „Circle Game“. In diesem Sinne meint die Südddeutsche: Halb- und Krallenaffen wären erlaubt. Ob sich der Autor Wolfgang Janisch da nicht mal „noch sonstwie“ geirrt hat; die Vermieter, die Städte (Artenschutz! Artgerechte Haltung!) und mit ihnen die Gerichte werden demnächst jedenfalls jede Menge Einzelfälle zu entscheiden haben. Das ist sicher: „Die Unwirksamkeit der Klausel führe aber nicht dazu, dass der Mieter Hunde oder Katzen ohne jegliche Rücksicht auf andere halten kann. Sie habe vielmehr zur Folge, dass die nach § 535 Abs. 1 BGB gebotene umfassende Abwägung der im Einzelfall konkret betroffenen Belange und Interessen der Mietvertragsparteien, der anderen Hausbewohner und der Nachbarn erfolgen muss. Im vorliegenden Fall habe das Berufungsgericht eine Zustimmungspflicht der Klägerin zur Hundehaltung rechtsfehlerfrei bejaht.“

Übrigens: Auch wenn eine, nach einer neunjährigen Britin genannte, neu entdeckte Dinosaurierart mit dem gleichem Namen: „Daisy“ daherkommt. Für die Haltung dieser Spezies gilt das Urteil des BGH ausdrücklich nicht. (BBC-Meldung vom 20.03.2013: Die 115 Millionen Jahre alten Dinosaurier-Knochen werden nach der Finderin benannt: „daisymorrisae“. Ins Deutsche übersetzt, meinte der Forscher sinnentsprechend dazu: Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Die Integration von behinderten Tieren ist von der EU, so weit bekannt, noch nicht geregelt. „Die in Brüssel“ sind zwar bekanntermaßen „krumme Hunde“; aber so weit geht es dann noch nicht, dass „Kubaner“ in der EU unter den Artenschutz fallen 😉

Siehe auch zu den Trends: Schulhunde, Hunde in Altenpflegeheimen, Diabetiker-Warn-Hunde, Pracht-Lamas, Schwein als Haustier,

Terminhinweise des BGH

Verhandlungstermin: 20. März 2013

VIII ZR 168/12

AG Gelsenkirchen-Buer – Urteil vom 16. November 2011 – 28 C 374/11
LG Essen – Urteil vom 15. Mai 2012 – 15 S 341/11

Der Beklagte mietete eine Wohnung der Klägerin in Gelsenkirchen. Die Klägerin ist eine Genossenschaft, der auch der Beklagte angehört. Im Mietvertrag war – wie bei der Klägerin üblich – als „zusätzliche Vereinbarung“ enthalten, dass das Mitglied verpflichtet sei, „keine Hunde und Katzen zu halten.“

Der Beklagte zog mit seiner Familie und einem Mischlingshund mit einer Schulterhöhe von etwa 20 cm in die Wohnung ein. Die Klägerin forderte den Beklagten auf, das Tier binnen vier Wochen abzuschaffen. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Die Klägerin behauptet, dass dem Beklagten vor Abschluss des Mietvertrags klar vor Augen geführt worden sei, dass er den Hund nicht in die Wohnung mitnehmen könne. Sie hat den Beklagten auf Entfernung des Hundes aus der Wohnung und auf Unterlassung der Hundehaltung in der Wohnung in Anspruch genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die im Mietvertrag enthaltene „zusätzliche Vereinbarung“ als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB* unwirksam sei, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sei. Danach sei eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall vorzunehmen, um die Zulässigkeit der Tierhaltung zu klären. Die Klausel im Mietvertrag diene aber dazu, diese Interessenabwägung zu vermeiden. Denn die Klägerin wolle dadurch verhindern, dass zahlreiche Mieter mit dem Wunsch nach Hunde- oder Katzenhaltung an sie heranträten und sie damit zu dem mit einer Interessenabwägung verbundenen Verwaltungsaufwand nötigten. Nach der folglich anwendbaren gesetzlichen Regelung sei dem Beklagten die Haltung des streitgegenständlichen Hundes zu gestatten. Dabei könne offenbleiben, ob die Klägerin – wie vom Beklagten vorgetragen – mündlich ihre Zustimmung zur Haltung des Mischlingshundes erteilt habe. Denn sie verhalte sich treuwidrig, wenn sie im vorliegenden Fall die Zustimmung verweigere.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

*§ 307 BGB: Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.


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